Die Familie Holtzapfel

Mit der Familie Holtzapfel als neue Investoren aus Thüringen verbesserte sich die wirtschaftliche Lage zunächst. Die Fabrikate gingen schon damals in alle Himmelsrichtungen nach Hof, Leipzig, Chemnitz, Gotha, Schmalkalden, Kassel, Herzberg im Harz, Goslar, Lüneburg und Hamburg, aber auch nach Nürnberg, Frankfurt, Augsburg, Kaufbeuren, Salzburg, Basel, Winterthur und Straßburg.

Rege Handelsbeziehungen bestanden bereits in der ersten Hälfte des lg. Jahrhunderts auch zu dem Baseler Apotheker Johann Rudolf Geigy, dem späteren Gründer des bekannten pharmazeutischen Unternehmens Ciba-Geigy.

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Abbildung: Herzoglicher Lehensbrief für Samuel Friedrich Holtzapfel vom 17. Februar 1810

Viele Details aus dem 19. Jahrhundert weisen jedoch gleichermaßen darauf hin, dass auch in diesen vor- und frühindustriellen Zeiten, bei aller stolz zu Schau getragenen Fabrikantenherrlichkeit, der wirtschaftliche Erfolg nicht selbstverständlich war. Christian Friedrich Holtzapfel muss 1833 vorübergehend einen Teilhaber aufnehmen um die Firma erneut vor dem Bankrott zu retten.

Die große Wachstumsphase der Firma fand in den fünfziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts statt, als Holtzapfel Blau in ganz Europa begehrt war und die Fabrikation erheblich ausgeweitet werden konnte. Beliefert wurden außer Kattundruckereien und Färbereien vor allem Buntpapiermanufakturen, daneben viele Apotheken und schließlich eine große Anzahl an Handelshäusern.

Im 1900 Jahrhundert stieg der Bedarf an Berlinerblau stark an, das Pigment wurde für zahlreiche Produkte gebraucht: Ölfarben, Tusche, Farbstifte, zum Färben für Papier, Pappe, Tapeten, Linoleum, Stoffe, Druckfarben, Farbbänder, Durchschlagpapier, Tinte, Wäsche schönen usw., später zum Färben von Spritzmitteln, der Rohstoff wurde gebraucht zum Weinschönen (Ausfällen von Eisen) und als Zusatz im Speise – und Streusalz (zur Erhaltung der Rieselfähigkeit).

Als 1862 in Coburg ein Handelsregister eingeführt wurde, trug sich die Firma Holtzapfel als eine der ersten Coburger Firmen ein. Im Jahre 1869 gründet Robert, der Sohn von Christian Friedrich Holtzapfel, neben der Blaufabrik die erste Lackrohfabrik Deutschlands.

Zur Weltausstellung 1873 in Wien erhielt das Unternehmen eine Verdienstmedallie für die besondere Qualität seiner Produkte, bald exportierte man „Holzapfel Blau“ auch in Übersee so auf Märkte in Südamerika und Asien.

Am 14. Juni 1888 besucht der Coburger Kunst- und Gewerbeverein die Fabrikationen der Firmen Holtzapfel. Zwei Wochen später erscheint in der „Coburger Zeitung“ ein Artikel über den Ausflug.

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Abbildung: Zeitungsartikel über den Besuch des Coburger Kunst- und Gewerbevereins aus der Beilage 140 zur „Coburger Zeitung“ vom Sonnabend, den 26. Juni 1888.

Ein Großbrand vernichtet 1911 zwei Fabrikationshallen, die noch im selben Jahr durch einen großzügigen Neubau, das Blaugebäude, ersetzt werden.

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Abbildung: Familie Holtzapfel anlässlich einer Familienfeier im Jahr 1920

Erst die beiden Weltkriege setzten der expansiven Entwicklung ein Ende. Während der Jahre 1939-1945 wurde die als „nicht kriegswichtig“ eingestufte Industrie im wesentlich kleinerem Rahmen teilweise zur Produktion von einfachem Scheuerpulver weitergeführt.

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Abbildung: Etikett für Warensendungen, vermutlich um 1910

Durch die Teilung Deutschlands und Europas gehen die wichtigsten Absatzmärkte verloren, die Lage im neu entstandenen Grenzland bringt der Firma Holtzapfel mit ihren hochspezialisierten Produkten schwierige Zeiten. Einige Lücken können durch den Export nach Indien, Japan, Pakistan und an neue Abnehmer in Südamerika geschlossen werden.

Die Strukturkrise wird in den folgenden Jahren jedoch immer deutlicher: Zum einen durch die hohe Spezialisierung, zum anderen durch die mangelnde Verbundproduktion in weitgehend geschlossenen Rohstoffkreisläufen wird der entlegene Produktionsstandort zunehmend wirtschaftlich unattraktiv.

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